Eine Expedition in die Antarktis: Die Überwachung wichtiger Klimavariablen mittels GNSS
Es war der November 2021, als Dr. Ladina Steiner über die vereisten Weiten des antarktischen Ekström-Schelfeises blickte. Mit ihrer aktuellen geodätischen glaziologischen Forschung wird auch ein Kindheitstraum von ihr wahr: sich einer Expedition in die Antarktis anzuschließen.
In den vorangegangenen Monaten hatte sie nicht nur den Aufbau eines Experiments organisiert, das aus der Ferne über ein Jahr in einer der schwierigsten Umgebungen der Welt durchgeführt werden sollte, sondern auch die Herausforderungen und logistischen Unsicherheiten gemeistert, die die Leitung eines Projekts während der Pandemie erschwerten.
Ihr Durchhaltevermögen und ihre Vorbereitungen zahlten sich schließlich aus: zwischen schweren Stürmen und der gelegentlichen Sichtung von Robben und Pinguinen gelang es Steiner, ihr Experiment zum Testen einer neuen Methode zur Schätzung örtlicher Oberflächenmassenbilanzen durch Entwicklung einer kombinierten Methode aus GNSS-Refraktometrie und -Reflektometrie zu installieren.
Ausgerüstet mit GNSS-Antennen des Typs AS10 und Empfängern des Typs GR10 von Leica Geosystems konnte Steiner ein Jahr lang kontinuierlich Daten sammeln und einen vielversprechenden Pfad für den Einsatz von GNSS zur Erforschung der Auswirkungen des Klimawandels auf den Massenverlust von Eisschilden und den Meeresspiegelanstieg eröffnen.
Eine Reise in die Antarktis
Steiners Reise in die Antarktis begann lange bevor Sie in Geomatik promovierte und Postdoc am Alfred-Wegener-Institut im Bereich Glaziologie wurde:
„Ich war noch im Kindergarten, als ich einen Dokumentarfilm über die Antarktis sah. Danach war es mein Traum, einmal als Forscherin dorthin zu reisen und Pinguine in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten. In gewisser Hinsicht arbeite ich also schon mein ganzes Leben auf diese Expedition hin“, so Steiner.
„Ich habe mich schon immer für Forschungsthemen im Zusammenhang mit Umweltmonitoring interessiert. Die Erde bildet die Grundlage für unser Leben. Ihre Prozesse zu verstehen, ermöglicht uns, realistische Modelle zu entwickeln und bezüglich künftiger Szenarien wie den Folgen des Klimawandels Aussagen treffen zu können“, erklärt Steiner.
Die Oberflächenmassenbilanz studieren, um den Klimawandel zu verstehen
Steiner legte ihren Schwerpunkt insbesondere auf die Beobachtung von Änderungen in der Massenbilanz des antarktischen Eisschildes, die zum Anstieg des weltweiten Meeresspiegels erheblich beitragen können.
„Die weltweit steigenden Temperaturen als Folge des Klimawandels werden in künftigen Jahrzehnten zu einem erhöhten dynamischen Eisverlust, einer höheren Oberflächenschmelze und Oberflächenmassenbilanz (SMB) führen“, sagt Steiner.
Aus polaren Gegenden präzise örtliche Echtzeitdaten zu erhalten, um diese Veränderungen zu überwachen, ist jedoch schwierig und geschieht nur selten. Dies führt zu Unsicherheiten in Berechnungen und Projektionen:
„Zwar kann die Schneeakkumulation auf verschiedene Weise erfasst werden, um die Konversion in Masse zu erhalten, muss zudem jedoch die Schneedichte bekannt sein, die schwieriger zu erhalten ist“, erklärt Steiner.
„Manuelle Techniken wie das Graben von Schneegruben sind arbeitsintensiv und destruktiv und bieten nur eine geringe zeitliche und räumliche Auflösung. Sie sind zudem sehr kostenintensiv und können in logistisch schwer erreichbaren Regionen wie auf dem antarktischen oder Grönländischen Eisschild nur in unregelmäßigen Abständen erneut aufgesucht werden.“
Innovative Datenerfassung mittels GNSS
Steiners Lösung für dieses Datenerfassungsproblem sieht eine Kombination von GNSS-Reflektometrie und GNSS-Refraktometrie (GNSS-RR) vor. Dies soll es ermöglichen, die Oberflächenmassenbilanz von schnell fließenden Eisschilden und Schelfeisen automatisch und kontinuierlich zu messen und somit die Schneedichte, Schneemasse und Schneeakkumulation präzise und gleichzeitig zu schätzen.
„Diese kombinierte Technik hätte für die kontinuierliche und korrekte Quantifizierung der Oberflächenmassenbilanz von Eisschilden viele Vorteile. Der Ansatz könnte die manuelle Datenerfassung vor Ort ergänzen oder ersetzen, was weniger Ausgaben und bessere Ergebnisse bedeuten würde“, sagt Steiner.
Die GNSS-Reflektometrie erlaubt es, Daten von GNSS-Signalen zu erfassen, die von der Schneeoberfläche reflektiert an eine Antenne gesandt werden. Sie ermöglicht es somit, wertvolle Informationen über Höhenänderungen und die Oberflächentextur zu sammeln, die zur Verfolgung der Schneeakkumulation verwendet werden können.
Bei der von ihr kürzlich entwickelten Refraktometrie-Methode werden GNSS-Signale auf ihrem Weg zu einer im Schnee vergrabenen Antenne abgelenkt, wodurch Daten zur Schätzung der Schneemasse oberhalb des Sensors bereitgestellt werden.
„Indem wir diese beiden Methoden kombinieren“, so Steiner, „können wir die Lagerungsdichte der Schneeschicht oberhalb der GNSS-Antenne ableiten. Diese Daten können zur Kalibrierung von Fernerkundungsprodukten oder zur Validierung regionaler Klimamodelle verwendet werden.“
„Dieser Forschungsansatz ist einzigartig,“ erklärt sie. „Es ist das erste Mal, dass ein kombiniertes GNSS-RR-Schneeüberwachungssystem entwickelt und eingesetzt wurde, und der erste Einsatz von GNSS-Refraktometrie in einer polaren Umgebung und auf einer sich schnell bewegenden Bodenoberfläche.“
Hochpräzise GNSS-Sensoren für extreme Bedingungen
Um diesen Ansatz testen zu können, waren hochpräzise, robuste und zuverlässige GNSS-Antennen erforderlich, die die GNSS-Signale während des Experiments kontinuierlich sammeln konnten.
„Ich benötigte GNSS-Sensoren, auf die aus der Ferne problemlos zugegriffen werden konnte und die Multi-GNSS- und Mehrfrequenz-GNSS-Signale mit hoher Zuverlässigkeit und Genauigkeit verfolgen konnten. Aufgrund der Abgeschiedenheit des Einsatzortes war der Austausch von Sensoren, sollte etwas nicht funktionieren, keine Option. Daher stellte hochwertige GNSS-Ausrüstung die beste Lösung dar.“
In Zusammenarbeit mit Leica Geosystems entschied sie sich für zwei GNSS-Antennen des Typs Leica AS10 sowie für zwei konfigurierbare GNSS-Empfänger des Typs Leica GR10, die täglich Datenpakete nach Deutschland senden konnten und ihr von Leica Geosystems bereitgestellt wurden. Steiner hatte diese Ausrüstung bereits zuvor während ihres Promotionsstudiums an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich in alpinen Gletscherumgebungen Tests unterziehen können. Sie war daher mit den Instrumenten vertraut und wusste, dass sie sich darauf verlassen konnte, dass sie wir gefordert funktionieren würden.
„Die Ausrüstung von Leica ist auch unter den extremen Wetterbedingungen der Antarktis wasser- und staubdicht. Außerdem machten Funktionen wie Datenspeicherung und Datenfluss, Fernzugriff, konfigurierbare Datenverfolgung und -protokollierung und andere integrierte Funktionen dieses System zur richtigen Wahl für meine Forschungsarbeit“, so Steiner weiter.
„Ich habe mich sehr gefreut, die Ausrüstung von Leica Geosystems bereitgestellt zu bekommen, da meine Forschungsförderung für den Erwerb hochwertiger Ausrüstung nicht ausreichte. Dank Leica Geosystems konnte ich mich darauf konzentrieren, meine Forschungsfragen zu beantworten, da Probleme mit Instrumenten auf ein Minimum beschränkt blieben.“
Vorbereitung auf die Expedition
Die Wahl der richtigen Ausrüstung stellte jedoch nur einen Aspekt von Steiners komplexen Vorbereitungen dar:
„Die Planung des Feldversuchs und der gesamten Logistik war durch starke Unsicherheiten geprägt, einschließlich hinsichtlich des Wetters und der Infrastruktur, die durch die COVID-19-Pandemie noch verstärkt wurden“, erinnert sich Steiner.
„Um das Experiment im Voraus in Europa zusammenzubauen, musste ich jede Einzelheit der vorhandenen Ferninfrastruktur an der deutschen Forschungsbasis Neumayer-Station III und des Standorts kennen.“
Außerdem bereitete sich Steiner auf die antarktische Umgebung vor, indem sie einen Kurs in Gletschersicherheit in den österreichischen Alpen absolvierte, in dem sie lernte, einen Rettungsanker im Schnee zu bauen, sich selbst aus einer Gletscherspalte zu retten und an einem Eisschelf abzuseilen.
Nach einem Flug von Frankfurt nach Kapstadt, Südafrika, einer zweiwöchigen Quarantäne und einer Übernachtung in einem Zelt in der Antarktis aufgrund eines verspäteten Anschlussflugs erreichte sie endlich das Ekström-Schelfeis und die Neumayer-Station III.
Unter der Mitternachtssonne: Installation des Sensors und Empfängers
„Die Arbeit vor Ort war extrem vom Wetter abhängig“, erinnert sich Steiner. „Die tatsächliche Installation musste aufgrund eines Orkans für viele Tage aufgeschoben werden. Es war unmöglich die Forschungsstation zu verlassen.“
Während draußen der Sturm wütete, kalibrierte und überprüfte Steiner die Antennen und Empfänger, um sicherzugehen, dass alles bereit war, wenn die nächste Wetteränderung die Installation erlauben würde.
„Wir hatten ein kurzes Zeitfenster zwischen Schneefall und dem nächsten Sturm, um das Experiment aufzubauen, den Schnee zu messen und die Ausrüstung zu testen. Dies würde gewährleisten, dass das System bei sehr kalten Temperaturen unabhängig funktionieren konnte“, so Steiner weiter.
Eine GNSS-Antenne des Typs AS10 wurde an einem bestehenden Schneehöhensensormast installiert. Sie diente als Referenz und sammelte Signale, die von der Schneeoberfläche reflektiert wurden. Die andere Antenne wurde an einer horizontalen Stange befestigt und maß den Schnee, der sich im Laufe des Jahres über ihr ansammelte.
Da sich ein weiterer Sturm ankündigte, musste der Aufbau der letzten Komponente verschoben werden. Als sich das nächste Schönwetterfenster ergab, installierten Steiner und ihr Team im Licht der antarktischen Mitternachtssonne die GNSS-Empfänger GR10.
Weitere Einblicke in die Expedition und die Reise, einschließlich des technischen Aufbaus der Antennen und Empfänger, erhalten Sie in Steiners vlog, Feldarbeit in der Antarktis.
Ein Jahr später: Results (Ergebnisse)
Die robusten und hochpräzisen Sensoren sowie die Fernzugriffsfähigkeiten ermöglichten es Steiner, Signale aus dem Testgebiet zu überwachen und nachzubearbeiten. Der einheitliche Datensatz, den sie auf diese Weise über das Jahr erhielt, enthielt vielversprechende Ergebnisse bzgl. des Einsatzes der GNSS-RR-Methode zur Schätzung von Schneemassen.
„Obwohl die Planung der Feldarbeit in der Antarktis aufgrund der schwierigen Erreichbarkeit und der abgeschiedenen Lage eine große Herausforderung darstellte, war ich überzeugt, dass die GNSS-Ausrüstung von Leica in dieser rauen Umgebung zuverlässig funktionieren würde. Über das gesamte Experiment sammelte und übermittelte sie problemlos wertvolle Daten“, sagt Steiner.
Nachfolgend erklärt sie eines ihrer Ergebnisse:
„Das Diagramm oben zeigt ein Ergebnis des Projekts. Die Schneeakkumulation seit Beginn des Experiments wird von beiden unabhängigen GNSS-RR-Techniken mit einem hohen Maß an Übereinstimmung erfasst. Der allgemeine Trend stimmt recht gut mit den Referenzwerten überein, die von einem Laser-Entfernungssensor (blau) gemessen wurden. Die Abweichung zwischen dem mittels GNSS-Refraktometrie ermittelten Schneewasseräquivalent (SWE), konvertiert zu Schneeakkumulation mittels Beobachtung der durchschnittlichen Dichte, und dem Laser ist auf eine hohe Variation in der Schneeablagerung im kleinen Maßstab aufgrund starker Sturmereignisse zurückzuführen. Die mittels GNSS-Reflektometrie bestimmte Schneeakkumulation (hellblau) enthält sämtliche Variationen (hellblauer Hintergrund), da mit dieser Technik eine größere Fläche beobachtet wurde.“
Weitere Informationen finden Sie in ihrer Multi-Media-Online-Poster-Sitzung für die Konferenz der American Geophysical Union im Jahr 2022, in der sie die Ziele, Methoden und Ergebnisse ihrer Arbeit in der Antarktis vorstellte.
Frauen in den Ingenieurwissenschaften: Ziele trotz Herausforderungen verfolgen
Dieser Fall stellt jedoch nicht nur eine neue vielversprechende Fernerkundungsmethode mittels GNSS vor, sondern verweist auch auf deren Potenzial für Forscher wie Steiner, die mit ihr eine Reihe situationsbedingter Herausforderungen bewältigen können, einschließlich geschlechtsspezifischer Ungleichheiten:
„Aufgrund begrenzter Forschungsstellen und kurzen Vertragslaufzeiten kommt es in der Forschung recht häufig zu Diskriminierung“, so Steiner. „Insbesondere Frauen in den Ingenieurwissenschaften sind von ihr betroffen.“
„Ein klares Ziel vor Augen zu haben, auf die Verwirklichung der eigenen Träume hinzuarbeiten, von den eigenen Stärken überzeugt zu sein und mit unabhängigen Experten zusammenzuarbeiten, hilft dabei, solche Herausforderungen zu bewältigen“, rät sie.
„Ich wusste, dass die Wahrscheinlichkeit, an einer Expedition in die Antarktis teilzunehmen, gering war. Im Laufe meiner Forschungsarbeit zu Themen aus dem Bereich Umwelt und Technik, behielt ich meinen Traum einer Antarktis-Expedition als Karriereziel jedoch immer im Hinterkopf. Mit jedem Stellenangebot versuchte ich, ihm näher zu kommen, wobei ich anderen interessanten Pfaden gegenüber stets offenblieb.“
Dieser Ansatz zahlte sich für Steiner schließlich aus:
„Es war ein überwältigendes Gefühl, zu erleben, wie mein Kindheitstraum mit dieser aufregenden Expedition Wirklichkeit wurde. Es war alles extrem eindrucksvoll: die Forschungsstation, die Forschung, die Techniken, die Umgebung und – natürlich – die Pinguine und Robben.
Und jetzt, da ich mein größtes Ziel erreicht habe, bin ich offen für neue Herausforderungen.“