Erhalt des kulturellen Erbes der alten bayerischen Kirche St. Severin
Case Study

Bereits seit über 1.500 Jahren befindet sich am Standort St. Severin im bayerischen Passau ein Kirchenbau. Als eine der ältesten Kirchen und bedeutendes Zeugnis christlicher Geschichte spielt St. Severin auch heute noch eine wichtige Rolle für die Gemeinde. Erstmals offiziell erwähnt wurde die Kirche im 5. Jahrhundert.
Severinus von Noricum (ca. 410-482) errichtete den Vorgängerbau der heutigen Kirche im Jahr 460 n. Chr. mit einem kleinen Kloster. Das Kirchengebäude wurde bis zum heutigen Erscheinungsbild über die Jahrhunderte in zahlreichen Bauphasen erweitert. Eine dendrochronologische Analyse des für den Dachstuhl verwendeten Bauholzes zeigte vier Fällphasen zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert. Der Dachgestühl im Kirchenschiff geht auf das Jahr 1325 zurück, während der gotische Chor aus dem Jahr 1472 stammt und damit 150 Jahre später errichtet wurde.
Zwischen 1854 und 1861 wurden in der Kirche umfangreiche Restaurierungs- und Reparaturarbeiten im spätromanischen Stil durchgeführt. Aufgrund dieser Umgestaltung war es bislang sehr schwierig, bestimmte Teile der ursprünglichen historischen Architektur zu untersuchen und dokumentieren. Im Grundriss von 1856 findet beispielsweise die urprüngliche Gestaltung beim ersten Bau der Kirche keine Erwähnung.
Das Planungsbüro Grassl, ein deutsches Architekturbüro mit dem Schwerpunkt Sakralbauten und Denkmalschutz, arbeitete mit Leica Geosystems, um die Kirche für den Erhalt und zukünftige Renovierungsarbeiten zu vermessen und dokumentieren.
Die komplette 3D-Vermessung erfolgte mit terrestrischen Laserscannern, wobei zwei Milliarden Messpunkte und über 2.000 Bilder erfasst wurden.
Laserscanning am Boden und aus der Luft
St. Severin wurde mit Leica RTC360 vermessen, einem schnellen, genauen und benutzerfreundlichen Laserscannner, der für komplexe Projekte und die Erstellung zuverlässiger 3D-Visualisierungen prädestiniert ist. Scans wurden an 240 Stellen vor Ort erstellt. Zur Erfassung messbarer Bilder kam noch eine Photogrammetrie-Kamera zum Einsatz. Die mobile App Leica Cyclone FIELD 360 vernetzte die 3D-Datenerfassung direkt im Feld, so dass PB Grassl Scandaten direkt vor Ort erfassen, vorregistrieren und untersuchen konnte.
Gleichzeitig setzte das Team des Planungsbüros eine Drohne zur photogrammetrischen Erfassung von 2267 Fotos ein. Die Drohnen-Photogrammetrie bietet vor allem in schwer zugänglichen Bereichen wie Dächern entscheidende Vorteile.
Nach der Datenerfassung wurden die Laserscans im Büro mit der Software Leica Cyclone REGISTER 360 für Punktwolkenregistrierung und Post-Processing-Software evaluiert. Neben Cyclone REGISTER 360 erfolgte die Verarbeitung der Photogrammetrie-Bilder mit der Software Agisoft Metashape.
Nach dem Scannen und im Anschluss an die Datenauswertungen erstellte PB Grassl eine einzige große Punktwolke, die aus den beiden Punktwolken der Laserscan-Daten und Photogrammetrie-Bilder abgeleitet wurde. Anhand von 2D-Plänen und einem 3D-Modell wurden Schitte des Gebäudes erstellt und Orthobilder exportiert. Orthobilder sind verzerrungsfreie und maßstabsgetreue Bilder eines Gebäudes/Objekts.
Die digitale Vermessung und das 3D-Modell von St. Severin wurden den Kuratoren der Kirche für die künftige Planung von Restaurierungen oder für den Fall eines Neubaus aufgrund von Schäden oder nach einem Brand zur Verfügung gestellt.
Zeit als entscheidender Faktor
Die Schlung an den 3D-Laserscannern von Leica Geosystems wurde auf ein Minimum beschränkt, da das Planungsteam bereits sechs Monate vor Projektbeginn die Möglichkeit hatte, verschiedene Instrumente zu testen, um so einen spezifischen Workflow für historische Gebäude entwickeln zu können. Nach einem Meeting mit Leica Geosystems auf der Messe INTERGEO im Jahr 2019 war das Team überzeugt, dass man mit den Laserscannern und den Softwarelösungen von Leica Geosystems vor Ort wertvolle Zeit sparen könnte. Geschwindigkeit und hohe Präzision waren die beiden ausschlaggebenden Kriterien bei der Auswahl der Scan-Technologie.
Für Thomas Grassl, Inhaber des PB Grassl und selbst Bauingenieur, reflektierte diese Arbeit „den für ihn wichtigsten Aspekt von Architektur und Denkmalschutz: die Digitalisierung und dauerhafte Dokumentation eines solchen historischen Gebäudes.“
Solide Grundlage für Architektur und Bauwesen
St. Severin ist jetzt digital und detailgenau dokumentiert. Die 2D- und 3D-Modelle bilden eine hervorragende Grundlage für die Arbeit der Architekten, Statiker und Bauforscher. Für PB Graasl mündete dieses Projekt in der Schaffung einer neuen Abteilung, deren Fokus ausschließlich auf der Vermessung historischer Gebäude und Stätten liegt. Entscheidend dabei ist es, dass diese Vermessungsdaten erneut herangezogen werden können, um die wertvollen Baustrukturen auch für zukünftige Generationen zu erhalten.
Dazu Thomas Grassl: „Wir fühlen uns verpflichtet, das kulturelle Erbe unserer Vorfahren zu bewahren und auch für die Nachwelt zu erhalten.“